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In diesen ungewöhnlichen Zeiten vermisst man vieles, was vorher selbstverständlich war. Dazu gehört für Hobby- und Profimusiker das gemeinsame Spielen. Wenn man sich aber nicht mehr treffen kann, muss man nach Alternativen suchen.

Warum nicht über das Internet musizieren ? Bis vor Kurzem habe ich es auch nicht geglaubt, aber es funktioniert ! Ich bin auf die Open Source Software Jamulus (www.jamulus.io) gestossen, die genau das ermöglicht.

Warum sind Video-Konferenz Systeme ungeeignet ?

Wer schon einmal probiert hat, über eine Video-Konferenz Software (Skype, Teams, Jitsi, Zoom etc.) mit einem oder mehreren Mitspielern Musik zu machen, weiss dass das nicht funktioniert. Es treten bei jedem Übertragungsvorgang Verzögerungen (Latenzen) auf, die das Zusammenspiel unmöglich machen.

In der Musik bemerkt man zeitliche Verzögerungen sofort, das beginnt schon bei 20 ms.

Also muss darauf geachtet werden, dass an allen Stellen in der Übertragungskette so wenig Verzögerungen wie möglich auftreten.

Im Grunde bräuchte man eine Verbindung, wie man sie früher bis in die 70-er Jahre mit den analogen Telefonen hatte (bis ISDN kam). Dort wurden Leitungen direkt geschaltet und man hatte eine (exklusive) Audio-Verbindung. Leider war die Tonqualität für Musik nicht gut geeignet, aber prinzipiell hätte es gut funktioniert, was die Verzögerungen angeht.

Wie funktioniert Jamulus ?

Man verbindet sich über das USB-Audio Interface mit dem Jamulus Client. Via LAN-Kabel geht es zum Internet-Router. Danach wählt man sich einen Server aus, der in der Nähe ist oder wo die Musik gespielt wird, die einem gefällt. Allerdings sollte man darauf achten, dass die Gesamtlatenz nicht über 50 ms beträgt, sonst wird es etwas mühsamer gemeinsam zu musizieren.

 
Bildquelle: https://jamulus.io/de/wiki/Getting-Started

Deshalb sollten diese Voraussetzungen (auf den Client) erfüllt sein:

  • Internet Zugang mit mindestens 1 MBit Download (besser wäre > 5 MBit) und 1 MBit Upload. (http://www.speedtest.net)
  • ein einigermassen schneller PC (Prozessor mit 1,6 GHz oder höher) mit Linux, Windows oder MacOS
  • ein USB-Audio Interface (gibt es schon ab 20 Euro) oder Mischpult
  • eine LAN-Kabel Verbindung zum Router (kein WLAN!)
  • einen Kopfhörer (kein Bluetooth o.ä.)

Jamulus (Client) Installation

 Jamulus ist ja auf den bereits erwähnten 3 Plattformen verfügbar. Ich empfehle die (momentan neueste) Version 3.6.2 zu installieren, weil dort einige Verbesserungen im Vergleich zu den Vorgängerversionen enthalten sind (bessere Klangqualität etc.).
Ein paar kurze Praxiserfahrungen:

  • MacOS X
    Die eigentliche Installation ist unproblematisch. Treiberprobleme sind nicht bekannt (zumindest mit einem Behringer Interface). Das Problem ist eher, dass viele Geräte keine Hardwareschnittstellen mehr haben. Dann muss man in einen USB-Ethernet Adapter investieren (das ist für mich persönlich der Punkt wo ein angeblicher Vorteil sich als Nachteil herausstellt ;-) ).
  • Linux
    Bei mir funktioniert Jamulus problemlos auf einem Raspberry PI4 (4GB) mit Raspberry PI OS und auch auf älteren AMD64 oder Intel Systemen (mit etwas höherer Latenz ca. 30 ms). Wichtig ist, dass man qjackctl installiert und dort das Interface, die Abtastrate 48 kHz, die Frames/Periode (64 oder 128) undPerioden/Puffer (2 oder 3) einstellt. Kriterium ist immer, dass keine Störungen (Knacken o.ä.) zu hören sind.
    Jamulus habe ich bei mir auf den jeweiligen Systemen kompiliert. Bei Interesse kann ich die Binaries zur Verfügung stellen. Es gibt auch schon fertige Pakete.
    Für mich ist Linux die Umgebung der Wahl, weil ich mich dort gut auskenne und weil man mit Linux Systemen auch ältere Hardware noch gut verwenden kann (wo Windows zu deutlich höheren Latenzen auf dem Client führt).
  • Windows
    Die aktuelle Jamulus Version 3.6.2 setzt Windows 10 voraus, wer ältere Installationen (XP) hat, muss eine ältere Jamulus Version (3.5.11) installieren.
    Das Hauptproblem ist die Treiber-Installation. Viele Behringer Produkte empfehlen z.B. den ASIO4ALL Treiber (der auch schon etwas älter ist und auf manchen Windows Installationen nicht lief), eine Suche im Internet ergab, dass noch einen alter Behringer Treiber auf einer Website verfügbar ist, der dann so einigermassen lief. Man kann z.B. ein Recording Programm Audacity (https://www.audacityteam.org/) installieren und überprüfen, ob die Treiber funktionieren, also ob aufgenommen und wiedergeben werden kann (über das USB-Audio Interface).
    Aber wenn die Treiber-Hürde gemeistert wurde, ist der Rest sehr einfach. Vielleicht hilft hier die neueste Windows Installation zu verwenden.

Es wird (auch auf der Jamulus Website) empfohlen, keine weiteren Programme geöffnet zu haben (insbesondere Browser, denn diese erzeugen auch Störungen), wenn man mit Jamulus musiziert!

Zusätzliche Doku findet man auch hier:

Empfohlene USB-Audio Interfaces

Hierzu gibt es eine ständig aktualisierte Liste mit Interfaces auf der Jamulus Website: https://jamulus.io/wiki/Sound-Devices.

Ich persönlich verwende und empfehle diese günstigen Interfaces:

  • Behringer XENYX 302USB (USB audio) Mini-Mischpult
    Wenn man zusätzlich zu einem Stereo-Signal noch ein Mikrophon anschliessen möchte.
  • Behringer U-Phoria UM2 Audio-Interface
    Ist praktisch, wenn man ein Mono-Signal und ein Mikrophon braucht.
  • Behringer UCA222 Audio-Interface
    Es hat nur einen Stereo-Ausgang und ist sehr günstig.
  • Zoom H2n – Digitales Aufnahmegerät
    „Multi-funktional“: ist eigentlich ein „Handy Recorder“, funktioniert aber auch als Audio-Interface.

Jamulus Klangqualität

Die Klangqualität ist erstaunlich gut, wenn man

  1. einen schnellen Client-PC verwendet und
  2. wenn man mit einem schnellen Server verbunden ist.
    Mittlerweile gibt es eine beachtliche Anzahl von Jamulus Servern weltweit, wobei sich die meisten in Europa befinden: https://explorer.jamulus.io/

Jamulus Live Mitschnitte:

Anbei ein paar kurze Live-Mitschnitte, damit man einen Eindruck bekommt, wie das klingt. Es kommt sehr auf die Serververbindung an, aber wenn alles optimal läuft ist es teilweise schon unheimlich, wie gut man die anderen hört.

BigBand: https://www.youtube.com/watch?v=pWUEOTWr3R0

Rosanna: https://youtu.be/xvvecua-E9c

Live Mitschnitte:

Ausserdem gibt es jeden Samstag Abend den Jamulus Live Stream, wo über ganz Europa verteilt verschiedene Bands zusammenspielen und gemeinsam auftreten: z.B. https://www.youtube.com/watch?v=alXJRZFhv-A

Das wird von London aus übertragen und auch in Youtube und Facebook gestreamt.