Regel Nummer 1
Diese Regel bedeutet, dass man nicht (!) das lokale Signal verwenden soll, sondern nur das Signal, welches vom Server kommt.
D.h. unbedingt lokales Monitoring ausschalten. Das ist manchmal gar nicht so einfach zu finden. Beim Zoom H2n ist es eine im Menu versteckte Option. Beim U-Phoria darf man nicht (!) den Monitor-Knopf drücken. Beim Mini-Mischer müssen die beiden bei „Line/USB“ befindlichen Knöpfe gedrückt werden.
Was ist ein Jamulus Server ?
Ein Jamulus Server ist vergleichbar mit einem Proberaum, wo man einfach „reinhören“ kann (aber mit aktivierten Mute, d.h. stummgeschaltet, um die anderen nicht zu stören). Wenn es einem gefällt, kann man zuhören, mitspielen (ohne dass die anderen einen hören) oder (hörbar) mitspielen. Dazu ist es gut, wenn man vorher im Chat oder über das Mikrophon frägt, ob man mitmachen darf.
Einfaches Erstellen von Live-Mitschnitten
Man kann alles was gespielt wird aufnehmen.
Auf dem Server kann der Betreiber die Aufnahmefunktion aktivieren und alle (!) Spuren werden in Stereo als WAV Dateien gespeichert.
Auf den Clients kann ein eigener Stereo-Mix über ein anderes Programm, z.B. Audacity (https://www.audacityteam.org/) aufgezeichnet werden. Dabei muss man in Audacity als Input „Jamulus“ wählen (zumindest unter Linux mit Jack).
Auswirkungen auf das Zusammenspiel
Man muss etwas „bestimmter“ spielen, vor allem als Schlagzeuger oder Bassist, denn durch die Verzögerungen entsteht der Eindruck, die anderen wären langsamer. Wenn man dann selber langsamer spielt, werden alle langsamer :-).
Es braucht am Anfang etwas Gewöhnung. Sind alle Musiker aber in der Nähe eines Servers (mit geringer Antwortzeit), dann bemerkt man die Latenzen gar nicht.
Oft sind die Musiker in ganz Europa verstreut, teilweise auch noch Mitspieler aus den USA (Ostküste), dann kann es Verzögerungen bis zu 100 ms geben. Interessanterweise klingt das am Ende immer noch ganz gut :-).
Nutzung älterer Hardware (für den Client)
Ich habe schon mit Jamulus auf einem eeePC Netbook (1016P) von 2010 gespielt. Aber nicht unter Windows, sondern unter Linux.
Es ist zwar nicht besonders schnell und man kann nur die 128 Bit Puffergrösse verwenden, aber es ist eine kostengünstige Möglichkeit (solche Hardware gibt es ab 30 Euro in den Kleinanzeigen) und funktioniert. Ich kann hier gerne weitere Tipps geben, bitte mich einfach anschreiben. Ich hätte auch noch ein Set mit einem eeePC plus Behringer UM2 Interface abzugeben.
RaspberryPI als günstiger Jamulus Client
Seitdem ich mir einen Raspberry PI4 (4GB, 4 Cores) angeschafft habe (https://www.raspberrypi.org/products/raspberry-pi-4-model-b/), wurde mir mein altes Notebook zu langsam und ich habe es verkauft. Es hat mich beeindruckt, wie schnell die kleine Kiste ist, ich habe den CPU Takt auf 1,8 GHz erhöht und das Teil in ein passiv gekühltes Gehäuse gesteckt. D.h. der Raspi läuft geräuschlos und braucht sehr wenig Strom. Noch schnell einen 4k-Monitor angesteckt (max. 2 sind möglich), Tastatur, Maus und eine kleine SDD Platte an die USB3 Schnittstelle angeschlossen, fertig.
Inzwischen läuft auch Jamulus darauf, mit sehr guten Werten (64 Bit Puffer, in Summe braucht der Raspi 15ms plus die Antwortzeit des verbundenen Servers).
Kann ich nur empfehlen – für wenig Geld (50 Euro) bekommt man viel Rechenleistung!
Bei Interesse kann ich auch das Image hochladen (arm64).
Betreiben eines eigenen Servers
Ist auch in der Doku beschrieben, was zu beachten ist. Man kann – einen schnellen Internetanschluss vorausgesetzt – einen eigenen Jamulus Server zu Hause betreiben – entweder öffentlich erreichbar oder privat.
Man kann den Server auch als EC2 Instanz in AWS betreiben. Das habe ich mit einem für ein Jahr kostenlosen AWS Trial Access bei meinem Server (MucMusic) so gemacht. Ist sehr gut erreichbar über den AWS Zugang in Frankfurt.
Bei Bedarf kann ich hier gerne weiterhelfen.
Es gibt seit Kurzem auch die Möglichkeit, ein "Jamulus-as-a-service" (sorry für den IT-Slang) zu nutzen. D.h. man kann einen fertig konfigurierten privaten Server für eigene Proben auf Stundenbasis mieten, wobei die erste Stunde (jeweils pro Tag) immer frei ist: https://melomax.live/
Der grosse Vorteil ist, dass man den Standort des Servers angeben kann, es gibt (Stand Januar 2021) weltweit 45 Server Standorte!
Es können Server gemietet werden mit bis zu 100 Teilnehmern !
Weitere Jamulus Software
- JamulusOS
Man kann JamulusOS auf einen USB-Stick kopieren und starten, ohne auf dem Client etwas installieren zu müssen: https://sourceforge.net/projects/jamulus-os/files/JamulusOS/ (Update 25.5.2021: der Link funktioniert nicht mehr, da die Software nicht mehr zum Download angeboten wird. Empfehlung: Ein Linux System auf den USB Stick kopieren und Jamulus manuell nachinstallieren) - Jambox (für Raspi)
ist ein Image-File für SD-Karte, wo sich eine Jamulus Version für den Raspberry PI4 darauf befindet: https://github.com/kdoren/jambox-pi-gen . Man muss zum Start nur im gleichen Netzwerk von einem beliebigen Browser diese URL eingeben: http://urlrelay.com/go dann wird im Browser (!) die Benutzeroberfläche von Jamulus angezeigt. Funktioniert sehr gut mit dem UM2 Interface (s.o.). Ideal für Bläser oder BigBand Mitglieder.
Weitere Software (nicht Jamulus)
- Sonobus
www.sonobus.net funktioniert ohne Server als „Point-to-Point“ Verbindung. Es muss am eigenen Router ein Port freigeschaltet werden. Es gibt keine öffentliche Server, wie bei Jamulus, sondern nur private. - QJackTrip
https://www.psi-borg.org/other-dev.html für peer-to-peer Verbindungen. Soll hervorragende Qualität haben (> CD-Qualität). Funktioniert auch mit IPv6 Adressen. Eigene Server möglich für Bands. - HPS Jam
https://github.com/hselasky/hpsjam wurde gerade erst gestartet. Die Audioqualität soll hier sehr gut sein. Ähnlich wie Jamulus, man muss einen eigenen Server aufsetzen, auf dem sich die Clients dann anmelden und proben können. - JamKazam
www.jamkazam.com: ähnliches Konzept wie Jamulus aber leider nicht Open Source und inzwischen nur als Abo-Modell verfügbar. - Jamtaba
http://jamtaba.com/ hier spielt Latenz keine Rolle, da man jeweils eine Taktsequenz (8, 16, 32 Takte) mit Metronom einspielt (dabei hört man was die anderen Mitglieder eine Sequenz vorher eingespielt haben), danach hören die anderen, was man dazugespielt hat usw. - Reaper mit NINJA Plugin
https://www.reaper.fm/purchase.php Reaper ist ein professionelles Recording Programm. Mit dem NINJA Plugin kann man auch zeitversetzt mit anderen zusammenspielen.
Leider geht bei den letzten beiden das Live-Feeling etwas verloren und man kann sich auch nicht mit einem Teilnehmer „ver-ratschen“, was ja auch dazugehört, dass man einmal miteinander spricht und nicht nur chattet.
Fazit
Es gibt genügend Auswahl an Möglichkeiten und Software um über das Internet Musik zu machen. Bei Jamulus habe ich nur gute Erfahrungen gemacht, die Musiker (oder Zuhörer) dort sind sehr freundlich und helfen einem bei technischen Fragen. Es gibt alle Arten von Musik: ganze Chöre proben dort, BigBands, Volksmusik, Irish Folk, Jazz, Pop, Rock, es gibt Geigenunterrichtsstunden für Anwender ;-). Es sind dort auch viele Profis unterwegs, die teilweise vom eigenen Studio aus spielen, oft läuft auch parallel ein Jitsi Meeting (natürlich ohne Ton, denn der kommt viel zu spät), damit man auch sehen kann mit wem man spielt.
Selbstverständlich ist Jamulus auch für Zuhörer geöffnet. Man sollte aber immer darauf achten sich „gemuted“ mit einem Server zu verbinden, um die Musiker nicht durch Geräusche zu stören.
Vielen Dank an Volker Fischer und alle Beteiligten für die diese grossartige Software !
Guten Start und viel Spass ! Bis demnächst in Jamulus !
Erfahrungs-Update (April 2021)
Wichtig ist, dass die Daten, die über die USB Schnittstelle vom Jamulus Server kommen, nicht mit dem lokalen Signal gemischt werden, sondern dass beide Signale getrennt bleiben. Das erreicht man m.E. am besten mit dem Behringer U-Phoria UM2 (dazu gibt es einen eingenen Schalter "Direct Monitor" off/on). Wenn man mehr als 2 Eingangskanäle hat, hängt man am besten ein kleines Mischpult davor - wobei der Kopfhörer am Behringer Interface eingesteckt werden muss. Ein USB Mixer ist nicht optimal, weil lokale und USB Signale nicht sauber getrennt sind.
Etwas besser klingt das Zoom H2n (eigentlich Aufnahmegerät, hier aber als USB Interface eingesetzt): es hat einen wärmeren Klang und klingt nicht so "digital", weil es einen besseren AD-Wandler hat und man kann das lokale Monitoring explizit abschalten.
Unter Linux laufen die USB Interfaces am besten, weil sie ohne zusätzliche Treiber gleich erkannt werden und die Latenz geringer als unter Windows ist.